15.01.2020

"Artikel-7-Verfahren in der Sackgasse"

Rechtsstaat in Ungarn und Polen

Zur Debatte im Europäischen Parlament über die Artikel-7-Verfahren zu Ungarn und Polen am Mittwoch, 15. Januar 2020, sagt Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied des Innenausschusses:

"Die Artikel-7-Verfahren gegen Polen und Ungarn stecken in einer Sackgasse. Als der Mechanismus in die Verträge geschrieben wurde konnte man sich nicht vorstellen, dass mehr als ein Mitgliedsstaat die grundlegenden Werte der Europäischen Union untergräbt. Doch genau das ist passiert: Die Regierungen in Ungarn und Polen beschädigen systematisch den Rechtsstaat. Sie decken sich im Rat gegenseitig und machen das Artikel-7-Verfahren aufgrund der benötigten Einstimmigkeit zu einem stumpfen Schwert. Derzeit ist das schärfste Schwert der Rechtsstaatlichkeit der Europäische Gerichtshof. Erst am Dienstag hat dessen Generalanwalt einmal mehr die Verurteilung Ungarns beantragt. Diesmal, weil Orbans Gesetz zur Stigmatisierung von NGOs gegen die Europäische Charta der Grundrechte verstößt. Ich bin sehr froh, dass es den EuGH gibt in diesen Zeiten."

"Auch in Bezug auf Polen ist der EuGH mehrfach tätig geworden und wird dies auch in Zukunft tun. Es ist ein richtiger Schritt, dass die EU-Kommission am Dienstag beim EuGH die Aussetzung der polnischen Disziplinarkammer für Richter beantragt hat. Die PiS-Regierung hat diese Kammer mit ihr genehmen Leuten besetzt und es gibt bereits Beispiele von Richterinnen und Richtern, denen politisch motivierte Disziplinarmaßnahmen drohen. Das ist mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Wir müssen weiter wachsam bleiben: Aktuell will die PiS-Regierung ein weiteres Gesetz durchdrücken, das die Anwendung von europäischem Recht in Polen bedroht. Auch hier müssen EU-Kommission und EuGH schnell handeln und einstweilige Maßnahmen ergreifen, sobald das Gesetz beschlossen ist."

"Am Wochenende sind Tausende Menschen zusammen mit Richterinnen und Richter in ganz Polen auf die Straße gegangen, um gegen die jüngsten Gesetzesvorhaben der PiS-Regierung zu protestieren. Wir im Europaparlament stehen an ihrer Seite. Die Pattsituation bei den Artikel-7-Verfahren wird sich so schnell nicht auflösen, deshalb brauchen wir neue Mechanismen:  Wir müssen ein jährliches Monitoring der Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Mitgliedsstaaten schaffen. Damit wird klar, dass es hier nicht um einen Ost-West-Konflikt geht. Vielmehr müssen sich alle Mitlieder unserer europäischen Wertegemeinschaft auch an diese Werte halten. Auch muss im nächsten EU-Budget vorgesehen sein, Haushaltsmittel für Staaten zu kürzen, die sich nicht an europäische Grundwerte wie die Unabhängigkeit der Justiz halten."