24.07.2015

Messlatte für TTIP-Unterhändler

Hier in Brüssel, unweit des Europäischen Parlaments, endet in diesen Tagen die aktuelle 10. Verhandlungsrunde der TTIP-Unterhändler. Vertreter von EU-Kommission und US-Regierung beraten über das geplante EU-USA-Handelsabkommen. Die Gespräche werden sich voraussichtlich noch sehr lange hinziehen. Allerdings ist jetzt schon klar: Mit privaten Schiedsgerichten werden wir SPD-Europaabgeordneten weder TTIP noch dem EU-Handelsabkommen mit Kanada namens CETA zustimmen. Und vor wenigen Tagen hatte auch das Europaparlament als Ganzes klare Forderungen an TTIP formuliert. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben eine Resolution mit eindeutigen Positionen zum EU-USA-Handelsabkommen abgestimmt. Damit stellen wir klar: Wir werden mitreden bevor wir endgültig entscheiden. Die Anforderungen des Parlaments sind für die Verhandlungspartner wichtig: Denn wenn EU-Kommission und US-Regierung sich über die umfassenden Forderungen hinwegsetzen sollten, werden die Parlamentarier dem Abkommen am Ende die Zustimmung verweigern. Die verabschiedeten Forderungen des Europäischen Parlaments an die TTIP-Verhandelnden: Transparenz: Die Abgeordneten sollen einen verbesserten Zugang zu den Verhandlungsdokumenten bekommen. Informationen sollen geliefert werden, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen. Ersetzung des ISDS-Verfahrens der privaten Schiedsstellen durch ein demokratischen Grundsätzen entsprechendes neues System mit transparenten Verfahren, öffentlich bestellten, unabhängigen Berufsrichtern und einer Berufungsinstanz. Achtung der Rechtsprechung der Gerichte der EU und der Mitgliedstaaten. Keine Untergrabung der Ziele des Gemeinwohls durch private Interessen. Eine außenhandelsbezogene Folgenabschätzung unter klarer und strukturierter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Standards zu Lebensmittelsicherheit dürfen nicht beeinträchtigt werden. Dazu gehört der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen – aber ebenso die klare Aussage, dass in Bereichen mit sehr unterschiedlichen Regelungen (zum Beispiel genmanipulierte Organismen, mit Wachstumshormonen behandeltes Rindfleisch) keine Einigung erzielt werden kann. Ein einklagbares und verbindliches Nachhaltigkeitskapitel: ausgerichtet auf die Durchsetzung der acht ILO-Kernarbeitsnormen, der Agenda für menschenwürdige Arbeit, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, einen Dialog mit der Zivilgesellschaft und internationalen Abkommen im Umweltbereich. Arbeits- und Umweltnormen sollen in allen Teilen des Abkommens Anwendung finden. Arbeitnehmer von EU-Unternehmen sollen auch im Partnerland Zugang zu Informationen und Beratungsangeboten haben. Ein Höchstmaß an Gesundheitsschutz und Sicherheit. Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip als Grundlage für Regulierung. Die parlamentarische Hoheit über die Definition von Standards und Zulassungsverfahren muss sichergestellt bleiben. Das demokratische Recht, Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, darf nicht gefährdet werden. Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf nicht durch die Einrichtung eines Regulierungsrates oder weitgehende Vorschriften zum Investitionsschutz erschwert werden. Keine Beeinträchtigung der Rechtsetzungsinstanzen der EU oder der USA, Achtung der Rolle des Europaparlaments im Beschlussfassungsverfahren der EU. Vollständige Wahrung des Rechts von nationalen, regionalen und lokalen Behörden im Bereich der Sozial- und Umweltpolitik, Vorschriften zu erlassen. Die hohe Qualität der Daseinsvorsorge muss erhalten bleiben. Ausschluss aller öffentlichen Dienstleistungen vom Anwendungsbereich des Abkommens. Nationale und lokale Behörden müssen das uneingeschränkte Recht haben, Maßnahmen zur Gestaltung öffentlicher Dienstleistungen zu ergreifen. Hierzu gehört die Möglichkeit jederzeit eine Rekommunalisierung von Dienstleistungen vorzunehmen. Breite Ausnahme von audiovisuellen Diensten aus dem gesamten Abkommen, unabhängig von Technologie oder Verbreitungsplattform. Verweis auf die Einhaltung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Subventionen des Kultursektors sind vom Abkommen ausgeschlossen. Weder die Buchpreisbindung noch die Preisfestsetzung für Zeitungen und Zeitschriften dürfen durch ein Abkommen beeinflusst werden. Der Marktzugang für den Dienstleistungsbereich wird nach einem Positivlistenprinzip geregelt. Das heißt: nur explizit aufgeführte Dienstleistungen werden für ausländische Anbieter geöffnet. Datenschutz muss zwingend garantiert und respektiert werden. Die Grundrechte müssen durch eine verbindliche Menschenrechtsklausel garantiert werden. Nachhaltigkeitsstandards für die Energieproduktion und -effizienz müssen erarbeitet werden. Umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen einschließlich ihrer Entwicklung müssen gefördert werden. Im Gegensatz zu anderen Fraktionen haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns für die Regulierung von globalem Handel, die Forderungen nach mehr Transparenz, die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten und den Schutz öffentlicher Dienstleistungen im Resolutionstext stark gemacht und die Chance genutzt, Anforderungen an einen fairen Welthandel zu formulieren. Die Resolution ist dabei nicht nur eine klare Position für die TTIP-Verhandlungen, sondern auch für andere zukünftige Handelsabkommen. Dass ISDS ersetzt werden muss, ist eine Forderung, die sich auf alle EU-Handelsabkommen bezieht – auch auf das bereits ausgehandelte CETA-Abkommen mit Kanada. Die Abstimmung im Parlament hat gezeigt, dass es mit uns keine privaten Schiedsgerichte geben wird. Wir kämpfen für ein demokratisches, transparentes System für unabhängige, von Staaten ernannten, Richter, für die vollständige Transparenz der Verfahren sowie für eine Revisionsinstanz. Aus Schiedsstellen, die zum Missbrauch einladen, machen wir so unabhängige Gerichte, die auf der Grundlage von parlamentarischen Gesetzen arbeiten. Nicht umgekehrt. Die Kommission sollte daher begreifen, dass es auch beim CETA-Abkommen drastischer Änderungen bedarf, um uns für die finale Abstimmung im Europäischen Parlament zu überzeugen. Wir werden in Bezug auf CETA nicht hinter den Beschluss zu TTIP zurückfallen.