08.06.2023

„Rat ist endlich handlungsfähig"

Innenminister*innen einigen sich auf Verhandlungsposition für Migrationsreform

Die Innenminister*innen haben sich heute in Luxemburg nach jahrelangem Stillstand im Rat endlich auf eine Verhandlungsposition zum Asyl- und Migrationsmanagement und Asylverfahren verständigt. Damit können Rat und Parlament die Verhandlungen starten. Dennoch fehlt weiterhin eine Positionierung zur Krisenverordnung, um Fortschritte bei der gesamten Asylreform zu erzielen.

Birgit Sippel MdEP, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und Berichterstatterin der Screening-Verordnung:
„Nach Jahren des Stillstands und der Blockade haben die Mitgliedstaaten nun endlich mehrheitlich für die Neuausrichtung des Asylsystems und der Asylverfahren gestimmt. Bei allen inhaltlichen Bedenken, die ich bezüglich der Ratsposition habe: Die Minister*innen haben dieses Mal ihre Arbeit gemacht, sodass wir endlich beginnen können, den Großteil der Asylreform zu verhandeln. Ich begrüße, dass die Bundesregierung intensiv dazu beigetragen hat, die notwendigen Brücken zu bauen. Klar ist jedoch auch, dass uns angesichts der beschlossenen Positionen schwierige Verhandlungen bevorstehen, für die vor der Europawahl nicht mehr viel Zeit bleibt. Wenn die Mitgliedstaaten ernsthaft an einer Reform interessiert sind, werden sie in den Trilogen nochmal deutlich mehr Kompromissbereitschaft zeigen müssen.

Denn die bereits bedenklichen Kommissionsvorschläge haben die Mitgliedstaaten nochmal erheblich verschärft, zum Beispiel durch die geplanten Ausweitungen des sicheren Drittstaatskonzepts, in die man so einfacher abschieben können soll. Unnachgiebig sind auch die Pläne, Minderjährige nicht mehr automatisch vom verpflichtenden Grenzverfahren auszunehmen. Unsere S&D-Fraktion lehnt die Verpflichtung zu problematischen Schnellverfahren an den Außengrenzen ab und das Parlament ist unserer Ansicht gefolgt. Sollten diese wahlweise dennoch zur Anwendung kommen, ist es unerlässlich, dass Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige davon ausgenommen werden.

Die Aussagen des EVP-Vorsitzenden Manfred Weber, stärkerer Schutz von Minderjährigen in Asylverfahren schütze diese nicht, sondern bringe sie verstärkt ins Visier von Schleusern, halte ich für fatal. Diese Denkweise führt konsequent zum Ende des Kindeswohls an unseren Außengrenzen, was mit uns Sozialdemokrat*innen nicht zu machen ist.

Auch der wenig ambitionierte Solidaritätsmechanismus ist kaum mehr als ein kleinster gemeinsamer Nenner. Konkrete Verantwortungselemente, wie das Screening- oder das Grenzverfahren, werden gekoppelt mit flexibler Solidarität, die bloß niemandem wehtun soll und damit aber wohl auch kaum handfeste Unterstützung bietet, da sich die Mitgliedstaaten aus ihrer Verantwortung freikaufen können sollen. Im Verbund mit verlängerten Überstellungsfristen zeigen die Mitgliedstaaten hier wenig Bereitschaft für Solidarität sowie eine gerechte Aufteilung der Verantwortlichkeiten, wie sie in den EU-Verträgen festgeschrieben sind.

Zuletzt dürfen wir nicht vergessen, dass es jetzt erneut nur eine teilweise Einigung gab und eine Position zur Krisenverordnung weiterhin aussteht. Diese muss jedoch, wie zwischen Parlament und Rat vereinbart, Teil einer umfassenden Einigung zum Ende der Legislaturperiode sein."


Bereits 2022 hatte sich das Parlament mit den anstehenden Ratspräsidentschaften darauf verständigt, den Asyl- und Migrationspakt bis April 2024 komplett zu verabschieden.